Feuerzangenbowle mit Nachgeschmack

Silvester bei Freunden kam die DVD mit Heiz Rühmanns „Feuerzangenbowle“ zum Einsatz.

Rühmann war Produzent und dominierender Hauptdarsteller. Man könnte meinen, dass er sich die Rolle hat auf den Leib schreiben lassen. Ein ähnliches Phänomen findet sich in jüngerer Zeit z.B. bei Til Schweiger, ist nicht so selten in der Filmgeschichte, führt aber leicht zu einem übergroßen – und dann auch sichtbaren – Ego.

Wie so oft, wenn man einen Film sehr lange nicht gesehen hat, konnte ich viele Szenen ganz neu sehen und genießen, sah Färbungen, die ich früher schlicht nicht wahrgenommen hatte, etwa wie der wütende, sprachlose vollbärtige Direktor seinen eiligen Tanz durch die leeren Schulgänge aufführt, bei dem er verzweifelt und dem Wahnsinn nahe eine Klassentür nach der Anderen öffnet, schon wissend, dass sich dahinter nur Leere finden wird.

Unter den Lehrern sehe ich zwei positive Antagonisten, den vergnügten, aber nicht respektierten Physiklehrer („de Dampfmaschin. Da stellen wa uns ma janz domm…“), und den strengen Geschichtslehrer, bei dem die Schüler geradezu militärisch auf Zack sind. Beide haben auf ihre Art ein gewisse innere Überlegenheit und Heiterkeit. Der Physiker beweist Witz, als er eine potemkinsche Baustelle in der Schule kreiert und so die Blamage wegen Pfeiffers Schild („Geschlossen wegen Baustelle“) abwendet. Er vertritt  die Menschenfreundlichkeit, der Andere Autorität und Macht, wenn auch gemildert durch Gerechtigkeit.

Der Film bekommt seinen Haut-Gout durch den Zeitpunkt, an dem er gemacht wurde, nämlich 1944. Die Niederlage war für jeden, der sehen wollte, schon absehbar. Die Verluste an Söhnen, Ehemännern, Brüdern und Vätern waren bereits schmerzlich spürbar. (Deren schlimme Taten waren noch halb im Verborgenen.) In dem ganzen Film kommt kein Soldat vor, kein Wehrdienst, keine Flagge. Wohl gibt es deutsch-patriotische Töne, die aber beziehen sich auf zutiefst friedliche und menschenfreundliche Erfolge, nämlich Justus von Liebigs Entwicklung der Kunstdüngung – ja, es wird sogar die Überlegenheit der friedlichen gegenüber der kriegerischen Großtat verkündet.

Dann Pfeiffer-Rühmanns Schlussrede, in der er alles als Phantasiegebilde offenbart, als süßen Traum, aus der Sehnsucht nach der heilen Welt geboren, die im Gegensatz zu einer offensichtlich ernsten Wirklichkeit steht. Und er spricht diese Schlussrede durch die Flammen der Feuerzangenbowle hindurch, die durchaus auch die Flammen symbolisieren könnten, die zu diesem Zeitpunkt bereits viele deutsche Städte verschlangen.

 

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